Was sind Rhabdoide Tumoren?

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Definition

Rhabdoide Tumoren sind seltene, sehr aggressive Tumorerkrankungen, die vorwiegend bei Kleinkindern auftreten. Es gibt in der Fachliteratur nur wenige verlässliche Daten zu Häufigkeit, Ursachen und Behandlungsstrategien. Neben Fallserien, Studien an Instituten sowie retrospektiven Analysen von Serien einzelner Kliniken gibt es wenig veröffentlichte Daten zur Epidemiologie oder zu erfolgversprechenden klinischen Studien. Die meisten veröffentlichten Untersuchungen bestehen aus kleineren Fallserien.

Rhabdoide Tumoren können in allen Geweben des Körpers entstehen. Am häufigsten betreffen Sie das Gehirn und das Rückenmark, die Nieren und die Leber, Hals-, Oberschenkel-, Brustwand- und anderer Weichgewebe (siehe Abb. 1a-c). Rhabdoide Tumoren des Gehirns werden auch als AT/RT („atypischer teratoider, rhabdoider Tumor“), solche der Nieren als RTK („rhabdoid tumor of the kidney“) und solche der Weichgewebe als MRT („malignant rhabdoid tumor“) bezeichnet.

Abb.1a: Rhabdoider Tumor des Gehirns
Abb.1b: Rhabdoid-Tumor der linken Niere
Abb.1c: Rhabdoid-Tumor linke Schulter

Häufigkeit und Altersgruppe

Rhabdoide Tumoren betreffen zu 80% Säuglinge und Kleinkinder in den ersten beiden Lebensjahren. So findet man 85% der Nieren-Rhabdoid-Tumoren (RTK) in den ersten beiden

Lebensjahren. Bei rhabdoiden Tumoren des Gehirns (AT/RT) liegt das Durchschnittsalter bei Diagnose bei 20 bis 25 Monaten. Bei rhabdoiden Tumoren der Weichgewebe (MRT) sind immerhin noch 60% der Patienten unter 10 Jahre alt. (Abb. 2a)

Die Daten von EU-RHAB zeigen, dass bei Säuglingen und Kleinkindern die Diagnose AT/RT gleich häufig ist wie die des insgesamt am häufigsten bösartigen Hirntumors bei Kindern und Jugendlichen, dem Medulloblastom. In Deutschland wurden in den letzten 3 Jahren ungefähr 20 Patienten mit Rhabdoidtumoren pro Jahr registriert (Abb. 2b).

 

An das EURHAB-Register werden Patienten aus mehr als 15 Ländern gemeldet (Abb. 2c).

 

Abb. 2a: Verteilung der Rhabdoidtumorgruppen (AT/RT, eMRT und RTK)
Abb. 2b: Meldedaten ins EURHAB-Register seit 2005
Abb. 2c: Länder, die an das EURHAB-Register melden

Symptomatik

Symptome, die bei Kindern mit Rhabdoid-Tumoren zur Diagnose führen, unter-  scheiden sich nicht von denen, die bei anderen bösartigen Erkrankungen auftre-  ten.

So präsentieren sich Kinder mit Nieren-  tumoren oft durch einen vorgewölbten Bauch, Schmerzen oder Blut im Urin.

Bei Tumoren der Weichgewebe fällt als erstes in der Regel eine Schwellung und Schmerzen auf.

Kleinkinder und Säuglinge mit AT/RT präsentieren sich oftmals mit Müdigkeit, Lethargie, Erbrechen und Gedeihstörungen. Manchmal findet man eine Kopfschiefhaltung und Lähmungen von Hirnnerven.

 

Diagnostik

 

Die o.g. Zeichen führen zu bildgebenden Verfahren wie Ultraschall, Röntgen, Computer-Tomographie (CT) und Kernspintomographie (MRT). Diese haben wiederum in der Regel eine Operation mit Gewebeentnahme zur Folge. Die weiterführende immunhistochemische und molekulargenetische Diagnostik am Tumorgewebe ermöglicht in den meisten Fällen die Diagnose eines Rhabdoid-Tumors.
Allen drei Gruppen von Rhabdoid-Tumoren ist eine Veränderung auf Chromosom 22 ge-  meinsam. Diese führt zum Ausfall der Proteinproduktion von SMARCB1 in den Tumorzellen. Dieses lässt sich durch eine spezielle Färbung (Abb. 3) des bei der Operation entnommenen Tumorgewebes nachweisen. Durch den Nachweis eines Fehlens des Eiweißes SMARCB1 (=INI1) in den Tumorzellen wurde eine Unterscheidung rhabdoider Tumoren von anderen Weichteil-, Nieren- und ZNS- Tumoren des Kindesalters möglich (Versteege et al. 1998, Holtmann et al. 2011).

Zytogenetisch und molekulargenetisch (Abb. 4) lassen sich in fast 100% aller rhabdoiden Tumoren Mutationen oder Deletionen des SMARCB1-Genortes auf Chromosom 22q11.2 nachweisen (Jackson et al 2009). Diese verursachen in der Regel alle einen SMARCB1/INI-1 Verlust.

Eine weitere diagnostische Maßnahme bei AT/RT ist die Untersuchung des Liquors (Abb.5). Dieser kann einen Hinweis auf das Tumorstadium liefern.

 

Abb. 3: SMARCB1/INI1 negativer Tumor mit positiv gefärbten Blutgefäßzellen
Abb. 4: verschiedene genetische Untersuchungsmethoden
Abb. 5: Tumorzelle im Liquor

Rhabdoid-Tumor-Prädispositionssyndrom

Durch eine Blutentnahme kann das Vorliegen eines „Rhabdoid-Tumor-Prädispositionssyn-  droms (RTPS)“ untersucht werden. Bei Nachweis einer Veränderung des Chromosoms 22 im Blut des Patienten liegt eine sogenannte Keimbahnmutation vor. Diese kann entweder neu im Patienten entstanden oder von einem Elternteil vererbt worden sein. Deshalb ist es rat-  sam, auch das Blut beider Elternteile und, wenn diese ebenfalls Veränderungen zeigen, auch das Blut der leiblichen Geschwister zu untersuchen.
Leider scheint es ein erhöhtes Risiko für die Geschwister von betroffenen Patienten zu ge-  ben. Bei Nachweis einer Keimbahnmutation sollte ein beratendes Gespräch mit einem Hu-  mangenetiker stattfinden.

Abbildung 6: Molekulargenetischer Mutationsnachweis mittels MLPA – Multiplex Ligation Probe Amplification – eine Methode zur Detektion von Dosisunterschieden von bis zu 45 verschiedenen Nukleinsäurefragmenten in einem Ansatz. Die genspezifischen Amplifikations-  produkte werden anschließend durch Kapillarelektrophorese der Größe nach aufgetrennt und mit der Kontrolle (blaue Balken) verglichen. Es ist eine Dosisreduktion der Exons 8 und 9 auf die Hälfte erkennbar. Dies entspricht einer heterozygoten Deletion in diesem Bereich.

Abb. 6
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